Bericht zur Sitzung der Bürgerschaft am 10.11.2010
Die Sitzung der Rostocker Bürgerschaft begann zunächst sehr sachorientiert, bekam dann aber im Zuge einer „vorweggenommenen“ Haushaltsdiskussion (Wiro-Wohnungen) an Schärfe zwischen Bürgerschaft und OB. An späterer Stelle traten dann leider noch rhetorische „Fehltritte“ einzelner Mitglieder auf, die das Klima ebenfalls belasteten.
1. Tagesordnung
Zu Beginn der Sitzung erfolgte zunächst eine Erweiterung der Tagesordnung um Dringlichkeitsanträge zu den vom OB geplanten Wohnungsverkäufen sowie zu Castor-Transporten. Diverse Angelegenheiten wurden wegen bestehender Beratungsbedarfe vertagt (z.B. Strandbereichssatzung und Bebauungsplan Justizquartier). Trotz Antrag der SPD nicht vertagt wurde die wichtige Entscheidung zur geplanten Übertragung der Schulen an den KOE (Kommunaler Eigenbetrieb für Objektbewirtschaftung), obwohl ein Votum des für den KOE zuständigen Wirtschaftsausschusses, der schlicht nicht beteiligt wurde - nicht vorlag (21:21 Stimmen!).
2. Infrastrukturelle Entwicklung des Südstadtcampus
Mit dem Antrag sollen Fördermittel für die Sanierung der Albert-Einstein-Straße eingeworben werden. Hiermit soll der Verkehr unter besonderer Berücksichtigung des Radverkehrs – Stichwort Campus-Velo-Route – neu geordnet werden.
3. Einrichtung eines Pflegestützpunktes in Rostock beschlossen
Auf Initiative der SPD wurde ein Antrag zur Schaffung eines so genannten Pflegestützpunktes in Rostock beschlossen. Der Abbau solcher Einrichtungen wird seit der letzten großen Reform des SGB XI (Pflegeversicherung) ermöglicht und soll nun endlich in Rostock umgesetzt werden. Der Pflegestützpunkt bietet allen Bürgern eine zentrale Anlaufstelle in pflegerischen Belangen und soll damit einen Beitrag zum selbstbestimmten Leben möglichst im bekannten häuslichen Umfeld leisten.
4. Theaterneubau
Seit 1992 beschäftigt sich die Bürgerschaft mit einiger Regelmäßigkeit mit Fragen eines Theaterneubaus. Nun werden zwar nicht die berühmten Nägel mit Köpfen gemacht, aber es sollen die bisher erarbeiteten Alternativen zu Standorten, Gestaltung und insbesondere der Finanzierung (Kosten ca. 50 Mio. €!) noch einmal aufbereitet werden. Auch die Idee einer Kulturförderabgabe soll in diesem Zusammenhang noch einmal bewertet werden. Ergebnisse der Prüfung sollen bis zum April 2011 vorliegen. Der Einschluss einer Kulturförderabgabe war dabei zwischen den Fraktionen umstritten und wurde insb. von CDU und FDP abgelehnt.
5. Festakt zur Begrüßung neuer Staatsangehöriger beschlossen
In der Hansestadt soll künftig auf gemeinsamen Antrag fast aller Fraktionen ein offizieller Festakt zur Begrüßung neuer Staatsangehöriger durchgeführt werden. Rostock möchte sich damit weiterhin als weltoffene Stadt in einem Einwanderungsland darstellen. Gleichzeitig wurde betont, dass ein solcher feierlicher Akt nur ein Baustein für eine gelungene Integration ist.
6. Beabsichtigte Wohnungsverkäufe des OB – Berichtigung des Haushaltsentwurfes gefordert
Der bei der Tagesordnung gesondert aufgenommene Dringlichkeitsantrag, der von der Linken unterzeichnet war, wurde dann auf deren Initiative wieder vertagt. Inhaltich sollte der geplante Verkauf von Wohnungen, die sich im Haushaltsentwurf abbilden, herausgenommen werden. Der OB ignoriert weiterhin die Beschlüsse der Mehrheit der Bürgerschaft, die solche Verkäufe wiederholt abgelehnt hatten. Die Debatte glitt nach(!) der Vertagung durch persönliche Angriffe des OBs gegen einzelne Mitglieder der Bürgerschaft stark ins Destruktive ab. In zwei persönlichen Erklärungen von Mitgliedern der Bürgerschaft wurden diese unsachlichen Tiefschläge und pauschalen Urteile zurückgewiesen. Nur noch eigenwillig war, dass der OB ehemalige Mehrheitsbeschlüsse der Bürgerschaft zu Verkäufen (z.B. Stadtwerke) als schweren Fehler abtat, gleichzeitig aber seit Jahren selbst solche Verkäufe fordert.
7. Castor-Transporte und Zwischenlager für Atommüll
Die Mehrheit der Bürgerschaft sprach sich gegen Castor-Transporte von Atommüll durch M-V und eine Lagerung von Atommüll aus alten Bundesländern aus. Gesondert aufgenommen wurde eine Ablehnung von Atommülltransporten über den Seeweg.
8. Bericht des OB
Ausnahmsweise vorgezogen wurde der Bericht des OB, da dieser – jenseits seiner obigen Entgleisungen – grundsätzlich zum Haushalt äußern wollte. Dargestellt wurden die Auswirkungen des Haushaltserlasses des Innenministeriums und der bisherige Haushaltsvollzug dargestellt. Entgegen der ursprünglichen Befürchtungen haben sich die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht in dem Maße auf die Hansestadt ausgewirkt. So wird derzeit mit einem Überschuss von ca. 10 Mio. € gerechnet, wobei dieser Betrag vorrangig zur Altschuldentilgung eingesetzt wird. Darüber hinaus wurde ein umfassender Blick auf den Planentwurf zum Haushalt geworfen, wobei sich einige Ungereimtheiten ergaben. So behauptete der OB, dass Kürzungen im Sozialbereich nicht erfolgen würden, während der übergebene Entwurf eine Kürzung bei der Jugendarbeit um 135.000 € vorsieht. Erneut eingebracht wurde eine Erhöhung der Gewinnausschüttung der Wiro um 25 Mio. € im Jahr 2011. Besonders zweifelhaft ist dabei, dass der Gewinn der Wiro immer im Folgejahr ausgeschüttet wird. Hieraus stellt sich die Frage, ob der OB die Verkäufe – möglichst ohne Debatte (?) – noch im Jahr 2010 durchdrücken will. Bleibt zu hoffen, dass sich die Mehrheit der Bürgerschaft in diesem Punkt treu bleibt.
9. Übertragung der Schulen auf den KOE
Nachdem die Beschlussvorlage mit knappest möglicher Mehrheit auf der Tagesordnung blieb, wurde kontrovers zum Thema diskutiert. Die Schulsenatorin warb gegen den OB dafür, die Schulgebäude bei der Hansestadt zu belassen. Mit der Übertragung sollten zwar 38 Mio. € Altschulden mit übertragen werden, was jedoch nur einen Bruchteil der Investitionen der Hansestadt in die Schulen der letzten Jahre abbildet (ca. 190 Mio. €!). Durch die Senatorin wurde auch scharf die bisherige Leitung der Verwaltung durch den OB kritisiert. Die finanziellen Folgen der Entscheidung zur Übertragung stehen danach in keinem Verhältnis zu den Risiken. So enthielt die Vorlage des OBs fehlerhafte Behauptungen, dass bisherige Investitionskosten teilweise über den so genannten Schullastenausgleich ausgeglichen würden. Unklar bleiben auch die Auswirkungen auf die Nutzung der Schulen und Sporthallen durch Vereine und Verbände. Die von der Bürgerschaft bereits vor Jahren eingeforderten Zahlen über die konkreten Auswirkungen lagen bis zu Beschlussfassung nicht oder nur in sehr oberflächlicher Form vor. Entgegen der eindringlichen Bitte einer Fraktion die Beschlussvorlage noch einmal bis zur Klärung der offenen Fragen zu vertagen, wurde dennoch abgestimmt. Nach meiner Auffassung hat die Bürgerschaft im Ergebnis ohne Not ein Steuerungselement der Kommunalpolitik aus der Hand gegeben. Abschließend sei angemerkt, dass die Gründung des KOE unter der Ägide des SPD-OBs A. Pöker erfolgte. Die seitens der SPD erhobene Kritik richtete sich daher nicht gegen eine Zentralisierung des Immobilienmanagements an sich, sondern gegen die konkrete Vorlage des jetzigen OBs.
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