Haushaltssitzung der Bürgerschaft am 16.03.2011
Nach der Vertagung der Haushaltsdebatte in der vorangegangen Woche traf sich die Bürgerschaft erneut. Insgesamt sollte es dieses Mal dreistündige Sitzung werden. Auf der Sitzung der Bürgerschaft fehlte allerdings der Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung. Dieses war insofern bedauerlich, weil die VertreterInnen der Bürgerschaft sich in umfangreicher Arbeit mit der Verwaltungsvorlage auseinandergesetzt hatten. Dieses mündete in der Streichung der ursprünglich vom OB geplanten Wohnungsverkäufe im Umfang vom 25 Mio. €.
Nicht auf die Tagesordnung gelangte ein Antrag von SPD, Linken und Grünen mit dem der sofortige Ausstieg aus der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke in Deutschland und das Abschalten der sieben ältesten Kraftwerke gefordert wurde. Er verfehlte die notwendige absolute Mehrheit zur Erweiterung der Tagesordnung gegen die Stimmen von CDU, FDP und RB nur knapp. Eine Diskussion wird nun auf der nächsten regulären Sitzung der Bürgerschaft erfolgen.
1. Einbringung des Haushalts durch den Finanzsenator
Der finanzielle Rahmen wurde den Mitgliedern der Bürgerschaft durch den Finanzsenator Scholze (CDU) dargelegt. Er spannte den Bogen über landes- und bundespolitische Rahmenbedingungen. Dabei wurde kritisiert, dass die Finanzausstattung der Kommunen unzureichend sei, insbesondere, weil die Ausgaben im Sozialbereich in den letzten Jahren massiv gestiegen waren. Mittlerweile machen diese im sogenannten Einzelplan 4 gesetzlich festgelegten – und damit für die Hansestadt pflichtigen – Kosten mit ca. 220 Mio. € die Hälfte des kommunalen Haushalts aus.
Insgesamt legte der Senator einen Schwerpunkt in Bereich Soziales. So wurde aufgezeigt, dass mit dem 3. Nachtrag zum Haushalt die durch die Reform der SGB II und XII (Einigung auf Bundesebene im ALG-II-Streit) ausgelösten Änderungen in Rekordzeit eingearbeitet worden seien. Im Einzelnen ging er auch auf die städtische Förderung für Schulen und Kitas ein.
Nachdem die Reduzierung des so genannten Altfehlbetrags 2010 um mehr als 10 Mio. € gelungen war, ist der Haushalt 2011 im Ergebnis mit einigen Risiken behaftet. Alleine die Schrumpfung der Schlüsselzuweisungen des Landes, Schadenersatzforderungen der EVG sowie die vom Innenministerium geforderte weitere Reduzierung der Altschulden belaufen sich auf fast 27 Mio. €. Nach dem Willen der Mehrheit der Bürgerschaft wird zumindest eine Reduzierung in der geforderten Höhe
Anschließend nahmen die Fraktionen der Größe nach Stellung.
2. Fraktion Die Linke.
Haushaltswahrheit und -klarheit seien durch den OB missachtet worden, weil die Altschuldendeckung von ca. 12 Mio. € in den ursprünglichen OB-Vorlagen auf dem Wior-Verkäufen von 25 Mio. € beruhten, so Eva-Maria Kröger. Hieraus folgte der Vorwurf, dass der Entwurf auf Tricksereien beruhe. Es war von vornherein klar, dass eine Mehrheit der Bürgerschaft einem Verkauf nicht folgen würde, da hierzu eine politisch andere Auffassung vertreten werde. So wurde aber schlicht der „Schwarze Peter“ den politischen Vertretern im Ehrenamt zugeschoben. Hervorgehoben wurde das kollegiale Zusammenwirken aller sieben Fraktionen der Bürgerschaft, die in mühevoller Detailarbeit um Lösungen gerungen habe. Den Abschluss bildete die Hoffnung, dass die Zusammenarbeit beispielgebend für die Zukunft sei.
3. Fraktion der SPD
Rainer Albrecht erklärte für die SPD, dass sich seine Fraktion bei der Beschlussfassung an dem Willen der Bürger ausrichten werde. Und dieser habe sich im von 10.000 Rostocker Bürgern unterschriebenen Bürgerbegehren gegen den Verkauf kommunalen Eigentums verdeutlicht. Daher wurde auch seitens der SPD der vom OB geplante Verkauf kritisiert. Basis zukunftsfähiger Haushaltspolitik seien vielmehr auch und gerade die aus den Unternehmen fließenden Einnahmen. Auch die SPD lobte die Arbeit der interfraktionellen Arbeitsgruppe, in der ein gemeinsamer Wille zum ausgeglichenen Haushalt umgesetzt werden konnte. Albrecht stellte weiter dar, dass die in den letzten Jahren erzielten Haushaltsverbesserungen zu großem Teil auf Steuermehreinnahmen (ca. 30 Mio. € pro Jahr!), dem Konjunkturpaket (Entlastung des Vermögenshaushalts) und der langfristigen Ansiedlung von Firmen beruhe. Wenn sich der OB daher mit dem Abbau von Altschulden in Höhe von 40 Mio. € rühme, sei dieses, als wenn sich der Hahn für den Sonnenaufgang lobt. Als Schwerpunkt der SPD-Politik wurde die haushaltsseitige Erhöhung um 300.000 € für die freie Jugendarbeit, weitere 100.000 € für Kulturszene sowie die Städtebauförderung herausgestellt. Letztere trage mit ihrer Arbeit in den Stadtteilen (zum Beispiel Stadtteil- und Begegnungszentren) wesentlich zur sozialen Ausgewogenheit der Stadt bei.
4. CDU-Fraktion
Eingangs wurde kritisiert, dass auch in diesem Jahr eine Haushaltsdebatte durch mangelhafte Vorlagen kaum sinnvoll geführt werden konnte. Nachdem der OB die Vorschläge der Fraktionen in den 2. Nachtrag eingearbeitet hatte, waren gleichwohl zweifelhafte Änderungen vorgenommen wurden. So wurde aufgezeigt, dass die vom OB geforderte Vorwegausschüttung von Gewinnen der Wiro (Überschüsse für 2012 sollen bereits 2011 gezahlt werden) ohne künftige Deckung sei. Der OB hatte in seinem Vorschlag auf eine Refinanzierung im nächsten Jahr durch Sonderzuweisungen des Landes spekuliert [Anmerkung: Die Mehrheit der Bürgerschaft änderte den OB-Entwurf daher ab.]. Die CDU hob noch einmal Einsparpotentiale im Personalbereich hervor. Als ein Schritt würden sämtliche freie Stellen bis auf weiteres mit einer Wiederbesetzungssperre belegt. Über die Aufhebung einer Sperre entscheidet nach fachlicher Prüfung der Hauptausschuss. Der Vorsitzende Nesselmann ging in seiner Rede auch auf das zeitgleich zu beschließende Haushaltssicherungskonzept ein, welches nach den Änderungen durch die interfraktionelle Arbeitsgruppe gegenüber dem OB-Entwurf Haushaltsverbesserung im Umfang von 70 Mio. € enthalte.
5. Bündnis 90/Die Grünen
Johann-Georg Jaeger stellte dar, dass auch der durch die Fraktionen überarbeitet Entwurf nur den kleinsten gemeinsamen Nenner bilde. Trotz der guten Zusammenarbeit dürfe nicht übersehen werden, dass die Schwerpunkte durchaus anders gesetzt würden. Als Beispiel wurde die Einigung zum Schwimmkran „Langer Heinrich“ genannt; die dortigen Gelder wurden zugunsten der Sicherung eines Spielbetriebs des Theaters umgeschichtet. Die Grünen stellten ihre abweichende Meinung zur Mehrheit in der Bürgerschaft zur Grundsteuererhöhung dar. Es sei nicht nachvollziehbar, den Verzicht auf die Steuererhöhung mit Wiro-Gewinnen zu finanzieren. So würden statt aller Rostocker nur ein Drittel, nämlich die Wiro-Mieter belastet.
6. Rostocker Bund
Frau Dr. Bachmann nahm die Gefahr des mangelnden Altschuldenabbaus mit Gelassenheit auf. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass die Haushaltsplanung immer in Größenordnung zu vorsichtig war [Anmerkung: Im Jahr 2010 waren ursprünglich Überschüsse von 2,5 Mio. € geplant; tatsächlich waren es mehr als 12,5 Mio. €]. Aufgezeigt wurde auch Geldverschwendung innerhalb der Verwaltung, wie die vom OB abgeschlossenen Beratungsverträge, welche mittlerweile auch das Rechnungsprüfungsamt beschäftige. Es müsse eine Reform der Verwaltung erfolgen. Auch dem Haushaltssicherungskonzept in der Fassung der Verwaltungsvorlage fehle eine strategische Komponente. Abschließend folgte ein Appell an den OB, gegen die demokratische Beschlussfassung nicht in den Widerspruch zu gehen, um bald zu einem genehmigten Haushalt zu gelangen.
7. FDP-Fraktion
Dr. Seidel zeigte seinen Stolz über das in den letzten Jahren gemeinsam erreichte, insb. die Steuermehreinnahmen und damit die strukturelle Ausgeglichenheit des Haushalts. Er äußerte seine Hoffnung, unterjährig weitere Verbesserungen zu erreichen, um weitere Beiträge zur Altschuldentilgung zu leisten. Auch die FDP schloss sich der allgemeinen Kritik zum Haushaltsverfahren des OBs an, da eine gute Haushaltsdebatte in den Ausschüssen und den Ortsbeiräten nicht möglich sei.
8. Fraktion „Für Rostock“
Den Abschluss bildete Dr. Philipp. Er lobte zunächst die sachliche und faire Zusammenarbeit der Fraktionen. Der Haushalt sei nun das Ergebnis harter Verwaltungsarbeit und verantwortungsvoller politischer Arbeit. Bedauert wurde allerdings, dass ein größerer Altschuldenabbau nicht möglich gewesen sei. Dieses sei wegen der Generationengerechtigkeit und der Gefahr von Zinserhöhungen geboten.
9. Vorsitzender des Finanzausschusses
Anschließend nahm nach den Gepflogenheiten der Bürgerschaft der Vorsitzende des Finanzausschusses Stellung. Herausgestellt wurde die enorme finanzielle Belastung der Kommunen bundesweit. Und obwohl diese im Jahr 2011 Schulden in Rekordhöhe aufnehmen müssten [Anmerkung: Ca. 10 Mrd. €!], könne die Stadt Rostock einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren. Scharfe Kritik wurde am unehrlichen Vorschlag des OBs der Wiro-Verkäufe geübt, da hierfür ersichtlich keine Mehrheit bestand. Aufgezeigt wurden Risiken der künftigen Jahre, da Einnahmen weiter sinken, wie bei den Mehrgenerationenhäusern, für welche der Bund im kommenden Jahr die Förderung einstelle. Gleiches gelte für die Städtebauförderung. Enthalten war ebenfalls eine Medienschelte, die in den letzten Wochen der Debatte nicht gerecht wurde und teilweise ein echtes Zerrbild lieferte.
Diesem folgten kleinere Wortbeiträge zu Einzelfragen, eine kurze Pause und anschließend ein Abstimmungsmarathon, der aber durch die gemeinsame interfraktionelle Arbeit ohne größere Überraschungen brachte. Bei lediglich 2 Gegenstimmen nahm die übergroße Mehrheit den Haushalt an. Ähnliches galt für das Haushaltssicherungskonzept (1 x nein, 2 x Enthaltung). Erwähnenswert ist, dass eine Mehrheit (SPD, Linke, RB) hierbei den kostenlosen Eintritt in die städtischen Museen erhalten will.
- Steffen's blog
- Anmelden um Kommentare zu schreiben
- Permalink