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Denkt Rostock 365°?

Wie der aktuellen Presse zu entnehmen war, wurde der Verein [Rostock denkt 365°] im Juni 2009 vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. mit dem 1. Platz für seine Standortmarketing-Kampagne zum Rostocker Wissenschaftsjahr 2009 ausgezeichnet. Mit dem Best-Practice-Preis "ERFOLG" werden  erfolgreiche Leistungen von innovativen Wirtschaftsförderungen in Deutschland gewürdigt. Die Jury setzt sich sich aus recht kompetenten Fachleuten zusammen. Ein Erfolg also für die Bestrebungen der Initiatoren der Kampagne?

Wenn sich eine Marketing-Kampagne gegen 34 andere durchsetzt, ist das sicher respektabel, zumal wir vermuten dürfen, dass die dafür verwendeten Budget-Töpfe nicht üppig gefüllt waren. Was sich nach außen hin als Erfolg darstellt, muss nach bezüglich der Zielgruppe noch einmal neu bewertet werden, denn: Nicht dem Käufer soll das Hundefutter schmecken, sondern dem Hund.

Und Sie sind inzwischen auch nicht mehr zu übersehen: die cyan-blauen Bojen vor den Wissenschaftseinrichtungen in Rostock. Und auch nicht die CityLightPoster mit den blond-blauäugigen Klon-Kindern, deren Anmutung eher an Lebensborn-Fantasien, als an real existierende Kita-Bratzen erinnert. Was aber mit penetranter Schaltungshäufigkeit ins Unterbewusstsein der Rostocker Einwohner getragen werden soll, muss da aber noch lange nicht ankommen. Das ist so wie mit den Lucky-Strike-Kampagnen: Man kennt sie irgendwie, die wenigsten verstehen sie und geraucht wird am Ende Marlboro oder F6.

Ein produktiver Schritt, die Lücke zwischen der Wissenschaft der Stadt und ihren Einwohnern zu füllen, waren sicher Events, wie die Kinder-Uni oder "Die lange Nacht der Wissenschaften", selbst wenn diese Formate einfach kopiert wurden. Das Grundproblem aber bleibt: Uni (leider noch immer dominiert durch Menschen, die mit der Region nichts anzufangen wissen/wollen) verbleibt wie ein Fremdkörper in der Stadt, weil aus ihr kaum Impulse für den regionalen Alltag ausgehen. Die wechselseitige Verwobenheit - mit jahrzehntelanger Tradition - ist durch den Wende-Bruch nachhaltig gestört und seitdem nie wieder konstruktiv belebt worden, teils sicher aus Arroganz, teils aber auch aus einfachem Desinteresse. Dazu häufen sich zunehmend die weniger guten Signale: Die Volluniverstität wird aus Schwerin weiter demontiert (mit willigen Helfern und unfähigen Protagonisten vor Ort), der Rektor verweigert den G8-Kritikern 2007 jede Unterstützung (sowie Räumlichkeiten), diverse Ausgründungen mit Forschungsergebnissen der Universität erfahren private Aneignung, die Uni leistet sich für ein Viertel Million Euro ein Corporate Design, das jeder Beschreibung spottet und zunehmend geraten auch die durch Rostocker Professor_inn_en getragenen (Gen-)Forschungsaktivitäten bei Groß-Lüsewitz ins Visier der bundesweiten Kritik.

Und so stellt sich die Frage, wie ehrlich, wahrhaftig und nachhaltig sind solche Kampagnen? Und können sie das überhaupt? Welche Botschaft sollten/müssten sie dann eigentlich vermitteln? Und wer will hier eigentlich wem wirklich etwas mitteilen?

Nun haben wir einen Preis, das ist schick. Und irgendwo, wo man sich professionell und aus Selbsterhaltungstrieb in die eigene Tasche lügt, werden sicher auch wieder Sektkorken knallen. Aber irgendwie bleibt doch der schale Beigeschmack von potemkinschen Dörfern ...