Wir haben gewählt
Genauer: wir, das waren nicht einmal die Hälfte aller Rostocker Wahlberechtigten ( 43,6%), die aus 284 Bewerbern 53 Bürgerschaftsmitglieder auswählten, 25 davon zu ersten Mal in der Bürgerschaft.
An die Europawahlen denkt kaum noch jemand, es war schon schwer genug, sich am Tag der Wahl daran zu erinnern. Und besorgte Politiker stöhnen: Wie ist diese Gleichgültigkeit gegenüber einer Einrichtung zu erklären, die doch für jede/n Einzelne/n oft so folgenreiche Beschlüsse fasst?
Zu den Kommunalwahlen kamen zwar auch nicht mehr WählerInnen wie zur Europawahl (Wahlbeteiligung in Rostock 43,2 %, in M-V 46,7). Aber die Ergebnisse und ihre Folgen sind weiterhin Gesprächsstoff, wenn auch mehr im Rathaus als unter der Bevölkerung. Die Diskussion geht in erster Linie um mögliche oder nicht mögliche Zusammenarbeit von Fraktionen. Wird es ein Zusammengehen des eindeutigen Wahlsiegers „Die Linke“ ( 23,9 % und 13 Sitze) mit der SPD (18,3 % mit 10 Sitzen), wird es eine schwarz-grün-gelbe, eine rot-rot-grüne „Koalition“ oder was auch immer geben?
Die seit langem in desaströser Verfassung befindliche CDU ( 9 statt bisher 13 Sitze) ist wohl bereits raus aus dem Spiel. Auch die so materialreich in der „Wahlschlacht“ auftrumpfende OB-Truppe (Für Rostock – pro OB) spielt mit ihren 4 Fraktionsmitgliedern in den Überlegungen so gut wie keine Rolle mehr. Sie hatte 7,9 % bekommen statt der erwarteten 20% und mehr (einige sprachen vorher von einem deutlichen Sieg mit über 50 % !). Zum Vergleich: Roland Methling erhielt bei seinem überragenden Sieg in der Oberbürgermeisterwahl 2005 als „einer von uns“ 58,1 % der Stimmen (mit ähnlicher Wahlbeteiligung: 42,7 %). War er nun „einer von uns“?
Was bleibt, um eine angestrebte „Hausmacht“ für den OB zusammenzubekommen? Zusammengehen der 4 von pro OB mit der FDP (4 Sitze) + CDU (9 Sitze) ergibt 17 Sitze, benötigt werden 27 zur Mehrheit. Woher bekommen? Von Christine Lehnerts Sozialistischen Alternative ( 1 Sitz gehalten)? Von Johann-Georg Jaegers Grünen ( 5 Sitze trotz Verlust durch Weggang mehrerer alter Gefährten)? Vom Rostocker Bund ( 3 Sitze, knapp am Fraktionsstatus vorbei) mit der schärfsten OB-Kritikerin Sybille Bachmann? Vom Rostocker Aufbruch 09 ( mit 1 Sitz durch Anette Niemeyer), dessen Mitglieder den Gang des Bürgerrechts-Bündnisses zur Partei „Die Grünen“ nicht mitgehen wollten? Auch Ingrid Köpke von den GRAUEN kann den OB nicht aus seinem Debakel herausholen. Die beiden NPD-Mitglieder lassen wir einmal außen vor, wo sie ja auch hingehören.
Was nun?
Werden Linke und SPD und Die Grünen zusammengehen und – auch noch mit anderen - so etwas wie eine linke Mehrheit herstellen können? Und was dann? Geht dann der Kampf Bürgerschaft mit einer solchen Mehrheit gegen den OB mit seinem Widerstand, seinen Einsprüchen und Widersprüchen gegen Bürgerschaftsbeschlüsse auf einer etwas anderen Ebene weiter und lähmt das politische Leben?
Wird das Bündnis über ausreichende Bindungskraft besitzen, nicht am kleinlichen Streit auseinanderfallen, an persönlichen Animositäten und kleinlichem Denken, an all dem, was den Wählern mehr zum Wahlboykott als zum Mitwirken animiert?
Werden ausreichende und dauerhafte Gemeinsamkeiten in den für alle Bewohner Rostocks wichtigen Fragen gefunden und mit Konsequenz gemeinsam angepackt?
Wie stark können Lobbyismus, Korruption, egoistische Interessen unter anderem aus Teilen der Wirtschaft oder gar kriminelle Energie Einfluss auf die Rathauspolitik nehmen?
Fragen über Frage, auf die Antworten ausstehen.
Und die Einwohner Rostocks? Werden sie wieder nur auf den nächsten Wahltermin warten oder ihre Mitwirkung ständig einfordern und die vielfältigen Formen der parlamentarischen und der direkten Demokratie nutzen? In Ortsbeiräten und Ausschüssen, aber genau so in Bürgerversammlungen zu brennenden Themen der Stadtpolitik, durch Volksbegehren und Volksentscheide, durch Kundgebungen und Demonstrationen, zur Not auch mit Formen des zivilen Ungehorsams, mit der Entwicklung eigener kreativer Vorstellungen und ihrer Propagierung auch in alternativen Medien. Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Es lohnt sich, sich darüber zu informieren und gemeinsam die Dinge anzugehen. Nicht zuletzt sollte diese Online-Plattform dazu genutzt werden.
Kö.
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Zusatzinformationen
Name
Peter Köppen
Beschreibung
Mitarbeit "Stadtgespräche", Geschichtswerkstatt Rostock e.V.,Bürgerinitiative für eine solidarische Gesellschaft e.V.
Kommentare
Also 10 % Wahlbeteiligung
Also 10 % Wahlbeteiligung mehr als vor 5 Jahren
sind doch eine positive Entwicklung und ich halte die Entscheidung
nicht zur Wahl zu gehen für ein demokratisches Recht.
In der Kommune ist eine Koalition m.E. entbehrlich, dann können die vorhandenen Mehrheiten sich auch tatsächlich entwickeln.
Ein Beispiel aus der bisherigen "Kooperation": Wenn Grüne und SPD
keine WIRO Wohnungen verkaufen wollen, kann die CDU aus ihrer
Maximalforderung heraus wenigstens durchsetzen, dass 10% der Wohnungen
verkauft werden sollen. Würde die Entscheidung in der BS frei
entschieden, wäre mit LINKE und RB überhaupt kein Wohnungsverkauf
mehrheitsfähig!
Also meine Vorzugs"koalition" wäre rot-rot-grün, weil da die
Schnittmengen aus den Wahlprogrammen am größten sind, ob es menschlich
klappt muss man sehen. Bei SPD und Grünen gibt aber immer noch Leute,
die sich vor der LINKEN ekeln. Da müssen Verhandlungserfolge Brücken
bauen. Die Linke wird für ihre Politikdurchsetzung einen Senator haben
wollen (was kommunalrechtlich möglich wäre.
Was können wir eigentlich den Abgeordneten zun Umgang mit der NPD raten?
Verfasst von Reinhard.Knisch am Mo, 06/15/2009 - 11:10.
Ich persönlich erhoffe mir
Ich persönlich erhoffe mir viel von der Tatsache, dass die Bürgerschaft nun fast 50% Neumitglieder haben wird, eine ganze Menge. Ich denke, dass das Bürgerschaftsagieren in den letzten Jahren sehr geprägt von jahrelanger Mitarbeit war und dementsprechend alten Mustern verhaftet.
Was die Senatoren angeht: Hieße das, dass ein neuer Senatorposten geschaffen wird? Oder muss dann einer der bisherigen Senatoren gehen?
Also die Bürgerschaft hat
Also die Bürgerschaft hat sich bei jeder Wahl um mindestens ein Drittel verändert. Ich glaube der Einzige der seit 1990 ununterbrochen dabei war ist Benno Freitag, hat jetzt aber nicht mehr Kandidiert.
Die Senatoren sind ja gewählt auf 7 Jahre und ein 4. Senator könnte einen Teil des Riesenbereichs von Frau Melzer übernehmen, den Bereich haben 1990 3 Senatoren bearbeitet!
Das Hauptproblem ist doch Methling und nicht die Bürgerschaft, die beschließt dauernd Sachen fast einstimmig und er widerspricht den Beschlüssene ständig, weil er denkt er sei Bonarparte--- einer von uns--.Das wird mit dem auch nichts mehr, am besten abwählen. Seine Klatsche hat er ja gerade bekommen mit 8 % für seinen Personenkultverein bei den Wahlen. Man sieht mein Frust ist groß,aber der Mann hat noch 3 Jahre und macht uns die Stadt und das Imüge weiter kaputt.
Neue Fraktion
Neue Fraktion gebildet
Bekanntlich sind bei den Rostocker Kommunalwahlen mehrere Mitglieder von nichtparteigebundenen Wählervereinigungen in die Bürgerschaft eingezogen.
Einige von ihnen bilden jetzt eine gemeinsame Fraktion. Der Rostocker Bund gab dazu eine Pressemitteilung heraus, in der es heißt:
"Konsens statt Koalitionen.
Die Mitglieder der Rostocker Bürgerschaft Dr. Sybille Bachmann, Jürgen Dudek, Dr. Christel-Katja Fuchs, Ingrid Köpke und Anette Niemeyer haben sich heute zu einer gemeinsamen Fraktion unter dem Namen „Rostocker Bund - Freie Wähler/DIE GRAUEN - Generationspartei/Aufbruch 09 für Vielfalt und Mitbestimmung“ konstituiert. Die Kurzbezeichnung lautet „Fraktion Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09“.
Der nachfolgende Vorstand wurde gewählt:
Vorsitz: Dr. Sybille Bachmann, 1. Stellvertretung: Dr. Christel-Katja Fuchs, 2. Stellvertretung: Ingrid Köpke, Präsidiumsbewerber: Anette Niemeyer.
Die Geschäftsführung übernehmen Dr. Galina Koch und Anette Niemeyer.
Die Fraktion Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09 steht für Vielfalt und Farbigkeit, demokratisches Miteinander über Fraktionsgrenzen hinweg, für breite Mitbestimmung statt Ausgrenzung. Feste Koalitionen haben die Probleme der Stadt bisher nicht wirklich gelöst und das Profil der Beteiligten immer unkenntlicher gemacht. Aus diesem Grunde werden wir keine Koalition eingehen. Vertragliche Kooperationen, wie sie Rostock bisher kannte, stellen Koalitionen dar, die zu recht laut Kommunalverfassung M-V untersagt sind.
Rostock benötigt übergreifende Konsenslösungen, Sacharbeit und Vertrauen statt Mehrheitsfestlegungen per Vertrag.
Der Rostocker Bund sieht seine Kernkompetenzen in der Gestaltung transparenter Politik und dem Unterbreiten von Lösungsansätzen. „Wir freuen uns“, so Dr. Sybille Bachmann, „in Aufbruch 09 und den Grauen kompetente Partner mit einer hohen Übereinstimmung in Sachfragen gefunden zu haben.“
Annette Niemeyer von Aufbruch 09 betont: „Ich sehe in einer gemeinsamen Fraktion mit dem Rostocker Bund und den Grauen die beste Möglichkeit, unsere Inhalte in der Bürgerschaftsarbeit zu verwirklichen.“
Ingrid Köpke erklärt für Die Grauen: „Als Mehrgenerationspartei möchten wir öffentlich deutlicher wahrgenommen werden. Schwerpunkte unserer Arbeit werden Soziales und Kultur sein.“
Die Mitglieder der neuen Fraktion Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09 versichern den Rostockerinnen und Rostockern, sich engagiert und sachbezogen für die Belange der Hansestadt einzusetzen.
Dr. Sybille Bachmann
Vorsitzende"