Sitzung der Bürgerschat vom 01.12.2010
1. Tagesordnung
Die Bürgerschaft tat sich zunächst etwas schwer beim der Verabschiedung der Tagesordnung. Irritationen löste vor allem die Fraktion „Die Linke“ aus, die den Antrag stellte, den Antrag zur Korrektur des Haushalts (Kein Verkauf von Wiro-Wohnungen) zu vertagen. Die Fraktion, die selbst (Mit-)Antragstellerin ist, hatte auf der letzten Sitzung bereits einmal die Vertagung ausgelöst. Eine Mehrheit der Bürgerschaft wollte jedoch in der Sache entscheiden.
Nach diesen Startschwierigkeiten wurde es dann eine erstaunlich konstruktive Sitzung. Entgegen der verbissenen Atmosphäre des letzen Males zeigten die gewählten VertreterInnen, dass sie zu abgewogenen Entscheidungen jenseits von Eitelkeiten in der Lage sind.
2. Antrag zu Angeboten zur individuellen Lebensbewältigung schwerstmehrfach behinderter Kinder an Schulen
Der Antrag widmete sich einem hochsensiblen Thema, da wohl kaum eine Verschlechterung der Verhältnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in den Schulen eintreten darf. Inhaltlich war der „grüne“ Originalantrag dennoch zu Recht abzulehnen, da er zu einer Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen und privaten Schulen geführt hätte. Auch der gemeinsame Änderungsantrag mit der Linken war abzulehnen, da er eine reine Aufforderung an das Land beinhaltete. Nach dem derzeitigen (Landes-)Gesetzesentwurf wird eine Angleichung der Lern- und Lehrverhältnisse an öffentlichen und privaten Schulen bezweckt. Dieses war im Rahmen eines SPD-Änderungsantrags herausgestellt worden, dem auch die CDU und RB folgten.
3. Antrag zur Förderung des Motorisierten Individualverkehrs
Der von der CDU unterstützte FDP-Antrag wollte bei der anstehenden Fortschreibung des Integrierten Gesamtverkehrskonzepts (IGVK) von 1998 einseitig ein Augenmerk auf den Autoverkehr legen. Dieses wurde von einer breiten Mehrheit abgelehnt, da es den verkehrspolitischen Prämissen des letzten Jahrzehntes (Stärkung des Umweltverbundes) komplett zuwiderläuft. Damit geht keine Benachteiligung des notwendigen Wirtschaftsverkehrs einher, da dieses auch im Rahmen der aktuellen Fortschreibung im vollen Umfang berücksichtigt wird. Seitens des Vorsitzenden der Grünen wurde kritisch angemerkt, dass der Antrag parallel zum Klimagipfel in Cancun vorliegt, auf dem sich ein CDU-Umweltminister für klimagerechte Lösungen einsetzt…
4. Antrag zur Entlastung des Oberbürgermeisters
Dem OB wurde für das Jahr 2009 nur eine teilweise Entlastung erteilt. Nach Auffassung des zuständigen Rechnungsprüfungsausschusses der Bürgerschaft hat der OB durch den Abschluss eines Beratervertrages mit dem Roten Kreuz der Stadt einen finanziellen Schaden zugefügt. Weiterhin wurde die Entlastung wegen der VERBAS-Verträge verweigert. Die Verwaltung des OBs hat bislang nach Auffassung des Ausschusses auch eine konsequente Aufklärung verweigert, da die Akten nur bruchstückhaft vorlagen. Seitens des RB wurde zusätzlich kritisiert, dass dem OB nun für die fragwürdige Vergabe des Auftrages zur Pflege der Internetpräsenz www.rostock.de Entlastung zuteil würde. Der Ausschuss hatte zwar einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht festgestellt, allerdings sei der Stadt nach Auffassung der Mehrheit wohl kein finanzieller Schaden entstanden.
5. „Korrektur des Haushaltsentwurfes“ (Kein Verkauf von Wiro-Wohnungen)
Inhaltich einer der wichtigsten Punkte war die Positionierung zur Wiro. Eine klare Mehrheit der Bürgerschaft sprach sich gegen die Pläne von OB Methling zum Verkauf von Wiro-Wohnungen im Rahmen des Haushalts 2011 (Antrag von SPD, Linke, Grüne, RB) im Umfang von 25 Mio. € aus. Selbst Teile der CDU sprachen sich gegen die Verkäufe, da einerseits belastbare Zahlen für einen Verkauf nicht vorlägen, andererseits klare rechtliche Hindernisse seitens des OBs ignoriert würden. Alleinig die FDP sprach sich für einen Verkauf aus. FR hielt sich in der Debatte zurück, stimmte aber – ebenso wie große Teile der Linken (Gegen den eigenen Antrag!) und der CDU– gegen den Antrag. Auf Antrag der SPD-Fraktion wurde wegen der widersprüchlichen Äußerungen der Linken eine namentliche Abstimmung durchgeführt. Das Ergebnis war Zustimmung mit 25 zu 13 bei 3 Enthaltungen.
6. Kulturmarketing
Auf Antrag der SPD beschloss die Bürgerschaft die konzeptionelle Erarbeitung eines umfassenden Kulturmarketing. Es müsse endlich klar werden, womit und wie sich die Hansestadt präsentieren wolle. Dazu ist das bisherige Nebeneinander von Kulturamt, städtischen Museen, Tourismuszentrale und neu gegründeten Rostocker Tourismus und Marketing GmbH kritisch zu prüfen. Insbesondere letztere erstellt aktuell ein Teilkonzept, das zügig mit den anderen Bereichen zu verknüpfen ist.
7. Aufforderung der Bürgerschaft an den OB, Kaufaktivitäten der Hero zu unterlassen
Ebenfalls ein SPD-Antrag. Hintergrund ist ein Alleingang des OBs, der beim Land die Übernahme der Landesanteile abgefragt hatte. Das Handeln des OBs hatte zu Irritationen und Verstimmungen auf Landesebene geführt, die klargestellt werden sollten. Nach dem Willen der Mehrheit sollte ein klares Bekenntnis der Stadt zum erfolgreich arbeitenden Hafen in gemeinsamer Trägerschaft abgegeben werden. CDU, FDP und FR stimmten trotzdem dagegen.
8. Atommülltransporte über Rostock verhindern
Mehrheitlich würde ein Antrag beschlossen, der die Verschiffung radioaktiven Abfalls zu verhindern. Entsprechendes ist derzeit durch die bundespolitische Entscheidung, noch in diesem Monat Atommüll ins russische Majak zu verschiffen. Hierzu sollen auch die Hafenflächen teilentwidmet werden, womit die besondere Nutzung (Atomtransporte) künftig unzulässig wird. Entsprechende Initiativen laufen derzeit u.a. in Hamburg und Bremen.
9. Prüfung der Wiedereinführung des 24h-Dienstes bei der Feuerwehr
Im Brandschutz- und Rettungsamt läuft Ende des Jahres die derzeitig gültige Dienstzeitvereinbarung aus. Die Mehrheit der Bürgerschaft forderte den OB auf, den vom Personal wiederholt geforderten 24h-Dienst zu prüfen. Die Ergebnisse sollen spätestens im Mai vorgelegt haben. Der OB stellte klar, dass bereits im Vorgriff auf die anstehende Beschlussfassung am 29.11.2010 eine Arbeitsgruppe von Senator, Fachamt, Personalrat sowie unter Beteiligung von Mitgliedern der Bürgerschaft gebildet wurde.
10. Klage gegen den OB beschlossen
Einstimmig (!) beschloss die Bürgerschaft eine Klage gegen den OB, der sich weigert, einen Beschluss der Bürgerschaft zur Änderung der Hauptsatzung der Stadt (Inhaltlich geht es um die Zustimmung des Hauptausschusses bei Personalentscheidungen) umzusetzen. Obwohl das Innenministerium dem OB in einer Stellungnahme klar die Rechtswidrigkeit seiner Weigerung aufgezeigt hat, erfolgt keine Reaktion. Leider war damit die Klage daher notwendig geworden, die nur Zeit und öffentliches Geld kostet. Selbst die FDP, die inhaltlich die beschlossene Änderung ablehnte, stimmte im Interesse der Rechtssicherheit für die Klage.
11. Satzung Strandbereich Warnemünde
Nachdem die Satzung beim letzten Mal wegen Beratungsbedarf in die Ausschüsse vertagt wurde, stimmte nun die Mehrheit für den Entwurf der Verwaltung. Dieser war u.a. im Ortsbeirat Warnemünde abgeändert worden. Kontrovers wurde ein Antrag der Grünen diskutiert, der eine dauerhafte Bebauung am Strand kategorisch ausschließen wollte. Eine Mehrheit will die Möglichkeit hierzu eröffnen. Im Ergebnis könnte am westlichen Ende des B-Plangebiets (Höhe Stoltera) ein seebrückenartiges Gebäude entstehen, das am Strand in Höhe der Wasserlinie steht, ohne wie eine Seebrücke weit hinauszuragen. Die konkreten Ergebnisse werden erst am Ende des Planungsverfahrens feststehen.
12. Vereinbarung mit der Arge (Hanse Job Center)
Die Hansestadt hat für die Arge aus Stadt und Bundesagentur für Arbeit gemäß SGB II (ALG II) die Kooperationsvereinbarung beschlossen. In dieser sind die im Vorfeld umstrittenen Forderungen der Stadt nach stärkerer Teilhabe umgesetzt. So wird die Stadt in den ersten 5 Jahren, während die BA den Geschäftsführer stellt, den Vorsitz in der Trägerversammlung innehaben. Auch ist aufgenommen, dass das Arbeitsmarktprogramm nur im Einvernehmen beider Partner beschlossen werden kann. Die Position der Stadt ist hierdurch deutlich gestärkt, womit arbeitsmarktpolitische Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden, weshalb es richtig war, vor zwei Monaten in der Bürgerschaft eine klare Position gegenüber der BA zu formulieren.
13. Vereinbarung zur Kulturförderung mit den freien Trägern
Auf gemeinsamen Wunsch von Verwaltung und Bürgerschaft werden noch in diesem Jahr Einzelvereinbarungen mit den Trägern der freien Kultur (z.B. MAU, Compagnie de Comédie, Institut für neue medien…) abgeschlossen. Hierin werden den Trägern – bis auf Weiteres – die aktuellen Mittel zugesichert. Dieses hat den Vorteil, dass auch in haushaltslosen Zeiten (die in Rostock leider die Regel sind) Mittel einfacher ausgereicht werden können. Es geht doch!
14. Bericht des OBs
Der wenig aufrüttelnde Bericht des OBs wurde nach fast 5-stündiger Sitzung mit einiger Ermüdung zur Kenntnis genommen. Als Höhepunkt sind am ehesten die Ausführungen zur Veranstaltung mit dem Innenminister Caffier vom letzten Mittwoch zu nennen. Kernpunkt ist, dass die Haushaltskonsolidierung auch auf einen längeren Zeitraum gestreckt werden kann, sofern der grundsätzliche Kurs der Entschuldung eingehalten wird. Der OB kündigte an, trotzdem an seinen (fast nur noch von ihm gewollten) Verkäufen in Größenordnungen festhalten zu wollen. So stellte er bereits jetzt einen Widerspruch (der dann bereits der 42. ist…) gegen den gefassten Beschluss zur Korrektur des Haushalts (s.o.) in Aussicht.
15. Neue Integrationsbeauftragte gewählt
Mit Mehrheit hat die Bürgerschaft Frau Stephanie Nelles in nicht-öffentlicher Sitzung zur neuen Integrationsbeauftragten gewählt. Sie tritt zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Nachfolge von Dr. Wolfgang Richter an, der die Aufgabe fast 2 Jahrzehnte erfolgreich wahrgenommen hat.
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